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Von Kappadokien nach Syrien
Am nächsten Morgen: Auf Richtung Mittelmeer.
Es war gut, hier in Kappadokien einen „day-off“ einzulegen und noch mal Energie zu tanken, denn unsere Route wird ab jetzt immer anspruchsvoller. Zunächst durch die Täler Richtung Nigde. Eine sehr schöne, grüne, fruchtbare Ebene, Tabak- und Zitruspflanzen.
Wir überholen einen Bauern, der ein lebendes Schaf mit einem Moped transportiert. Vorne quer auf dem Tank. Dem Schaf schien es zu gefallen. Später sehen wir am Horizont die schneebedeckten Gipfel des Taurusgebirges. Dann geht es immer weiter hinauf in die Berge. Den Motorrädern merkt man die Höhe deutlich an - weniger Leistung. Etwas östlich von hier entspringen auch die Flüsse Euphrat und Tigris, um deren Nutzung sich der gesamte Nahe Osten seit Jahrhunderten streitet. Auf dem Kamm des Gebirges geht es durch einen Pass, und relativ schnell wieder nach unten. Dort beginnt dann auch wieder eine breitere Straße. Lkws zuckeln im Schritttempo den Pass hinunter. Es stinkt ziemlich nach Kupplung. Immer dran vorbei. Auf einer Strecke von etwa 40km geht es hinunter auf Meereshöhe, nach Tarsus. Mit jedem Höhenmeter weniger wird es heißer. Und zum ersten Mal spüren wir diesen unangenehmen, heißen Wind, der uns ab jetzt, bis zum roten Meer fast ständig begleiten wird. Es fühlt sich so an als würde einem jemand einen Fön direkt in die Fresse halten. In Tarsus, an der Küste geht es Richtung Adana. Kurz hinter Ceyhan biegen wir ab, auf die O53, Richtung Iskenderun. Wir sind flott unterwegs und „machen gut Meter“. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, beschleicht uns insgeheim auch ein, ganz leichtes, komisches Gefühl. Denn zur syrischen Grenze ist es jetzt nicht mehr weit. Wir haben uns zwar ganz gut vorbereitet, aber keiner von uns weiß genau was uns dort erwartet. Der Golf von Iskenderun, der nordöstlichste Zipfel des Mittelmeeres, sieht auf der Landkarte so schön aus. In Wirklichkeit ist es, zumindest direkt an der Küste, eine der hässlichsten Gegenden der Türkei die ich bis jetzt gesehen habe. Hier endet eine große Ölpipeline aus dem Nordirak. Standort der Schwerindustrie. Wir fahren an riesigen Häfen und Tanklagern vorbei. Raffinerien und Kraftwerke verpesten die Luft.
Noch etwas hat sich geändert. Seit dem wir jetzt nicht mehr nach Osten, sondern Richtung Süden fahren, bläst dieser heiße Westwind ziemlich stark von der Seite. Man hat immer etwas Schräglage, auch wenn es geradeaus geht. Das sollte später noch schlimmer werden.
Nach einem kurzen Tankstop, und Ergänzung der Wasservorräte, bei Iskenderun geht es wieder in die Berge. Wir überqueren das Amonosgebirge und es wird endlich wieder kühler und grüner. Hinter dem Gebirgsausläufer erstreckt sich eine Ebene mit Baumwollplantagen und Zitrusfrüchten.
Wir nehmen den südlichen Weg, über Hatay, in Richtung des Grenzüberganges Bab el Hawa. Schon kilometerweit vor der Grenze ist die Straße links und rechts mit Natodraht gesichert. Am türkischen Ausreisekontrollposten werden wir relativ schnell abgefertigt und fahren in das extrem gesicherte Niemandsland zwischen der Türkei und Syrien. Noch etwa einen Kilometer bis zur Grenze. Die Spannung steigt.
Vor der türkisch/syrischen Grenze hatten wir am meisten Respekt. Wir hatten gehört dass es hier schon mal richtig zickig und ungemütlich werden kann. Eine erste Bestätigung dessen erfahren wir als wir einen Typen wieder treffen den wir unterwegs bei Iskenderun an der Tanke kennen gelernt hatten. Er war mit seinen Kindern im Benz unterwegs von Deutschland in den Libanon, schon über 4 Tage durchgefahren. Echt netter Typ. Völlig aufgelöst kam er uns entgegen gelaufen und sagte dass er nicht einreisen dürfe, weil sein Auto auf seine Frau zugelassen sei, und die war zu Hause geblieben. Er wurde abgewiesen. Hat mir total Leid getan. Denn… „Das zieht sich“ (wie der Siegerländer sagt) …bis da unten hin, und wenn du dann wieder zurück musst - Sch….
Ein weiterer Grund für unseren „Schiss“ vor dieser Grenze war:
Die lassen offiziell niemanden durch, der nach Israel will, oder schon mal in Israel war. Schon beim Visumantrag wird man gefragt ob man schon mal im „besetzten Palästina“ war. Mit entsprechendem Stempel im Pass wird man sofort abgelehnt. Deshalb haben wir auch alles zu Hause gelassen, was darauf deuten könnte, dass wir nach Israel wollen. Wir hatten noch nicht einmal eine Israelkarte dabei und auch keine Rückreisetickets für das Frachtschiff. (Die haben wir uns später per Email schicken lassen) Wir hatten uns alle möglichen Ausreden überlegt was wir antworten könnten, wenn die Syrer uns nicht glauben würden dass wir nur nach Jordanien wollen.
Im Nachhinein denke ich, dass es wahrscheinlich stillschweigend toleriert wird, wenn man nach Israel will. Denn aus den Papieren ist ja grob ersichtlich, wo die Reise hingeht. Wir hatten ja nur ein Visum für den einmaligen syrischen Grenzübertritt, weder die entsprechenden Zollpapiere, noch ein Visum, für Saudi-Arabien oder Ägypten. Durch den Irak fährt wohl kaum jemand freiwillig (2008). Offiziell hätten wir uns also in Jordanien in Luft auflösen müssen.
Wir versuchen uns an der syrischen Grenzstation zurecht zu finden. Man kommt sich vor wie in einer alten Bahnhofshalle im Ostblock. Große Bilder des syrischen Präsidenten hängen an der Wand. Die Beamten sitzen in ihren Büros hinter dicken Panzerglasscheiben. Wahrscheinlich haben wir einen etwas verwahrlosten, hilflosen Eindruck gemacht. Vielleicht war es aber auch nur die ehrliche, ernst gemeinte Gastfreundschaft: Ein bärtiger, offensichtlich sehr hochrangiger, Beamter kümmert sich auf einmal um uns. Er nimmt uns mit und sagt uns an welchen Schalter wir zuerst müssen, mit welchen Papieren. Er weißt die jeweiligen Schalterbeamten an uns zügig abzufertigen - es läuft. Witzig ist, wie er immer wieder seine Kollegen auffordert, jetzt doch endlich mal weiter zu arbeiten. Ich glaube als Biker hat man in solchen Situationen einen echten Vorteil, denn die meisten Grenzbeamten, egal welcher Nationalität oder Religion finden fernreisende Motorradfahrer meist erst einmal sympathisch. Wenn man sich dann noch ein paar Takte über Motorräder unterhalten kann oder mal ein gemeinsames Foto gemacht wird, dann hat man schon gewonnen.
Trotzdem ist der Papierkrieg enorm. Ausreisezollbescheinigung der Türkei kontrollieren. Einreisezollbescheinigung nebst Versicherung und Steuer für die Bikes abschließen. Visum im Pass für Ein - und Ausreise kontrollieren und abstempeln. Fahrzeuge in den Pass eintragen. Temporäres „Carnet de passage“ kaufen und eintragen lassen. Persönliche Befragung nach Reiseziel, Herkunft, Beruf etc. Alle Angaben werden sorgfältig notiert.
Verstanden habe ich es bis heute nicht richtig, aber die waren alle sehr freundlich.
Es funktioniert ungefähr so: Man zahlt an Schalter 1 einen Betrag von ca. 75 US$ ein und gibt seinen Reisepass ab. Dann bekommt man einen Wisch und einen Teil des Geldes in syrischer Landeswährung zurück. Dieses Geld muss man dann an Schalter 2 einzahlen und bekommt einen Stempel auf den Wisch. Damit geht man dann wieder zurück zu Schalter 1 und bekommt einen weiteren Teil des eingezahlten Betrages in syrischer Währung zurück mit dem man sich dann an Schalter 3 einen anderen Stempel holen muss. Das wiederholt sich an insgesamt 5 Schaltern. An jedem Schalter muss man sich wieder geduldig hinten anstellen. Das dauert je nachdem bis zu einer Stunde pro Schalter. Selbst mit einem Laufzettel auf Deutsch wäre das noch kompliziert gewesen.
Nach etwa 4 Stunden haben wir dann endlich den letzten Schlagbaum hinter uns gelassen, übrigens ohne Gepäckkontrolle. Auf einen Schlag fällt das beklemmende Gefühl von uns ab. Wir starten die Mopeds, tuckern erst langsam ein Bisschen aus der Sichtweite der Grenze. Dann kann ich es nicht mehr zurückhalten und beschleunige mal kurz in den roten Drehzahlbereich. Rugard macht sein erstes Wheely.
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